Freitag, 17. August 2018

Malonne - Lobbes 82 km

Freitag, 17.August 2018/ Tag 19

Puh, das wird wieder ein langer Bericht heute....
Aber von vorne:
Gratulation!! Das Wetter hat sich genau an die Vorhersage gehalten: geht doch! Jetzt muss man nur noch die Vorhersage an die Wünsche anpassen. Das wäre doch was für Kranich!
Um 2.30 Uhr also die große Lightshow wie die Stroboskope in der Disco. Dazu Heavy Metal Bässe aus allen Himmelslautsprechern. Danach die kalte Dusche. Ich habe das Zelt vorher ordentlich nachgespannt. So hat sich mein Zelt gut geschlagen!
Der Regen ging dann bis 6.30 Uhr: draußen war alles nass. 
Aber es hilft ja nichts: durch noch einmal Einkuscheln wird es nicht trockener. Also hoch!
(Tut mir leid, wenn der Wetterbericht immer so lang wird; der eine oder andere Leser wird schon mal die Augen gerollt haben. Aber das gehört nun mal dazu, da muss man durch)

Merkwürdige Zeichen im Gras....

Unten im Dorf riecht man ihn bevor man ihn sieht: den Bäcker. Gesammelte Köstlichkeiten, frisch ausgebacken und fachgerecht ausgekühlt: da kann sich mancher Hamburger Franzbrötchenbäcker mehrere Scheiben von abschneiden. Trotz Umbau wird mir auch noch Kaffee credenzt. Im nach hinten offenen Verkaufsraum werkeln 3 Weißgekleidete mit den Teiglingen...
Dann aber weiter an den Kanal und in die feuchtigkeitsgeschwängerte Luft.



Die Fritten sind also schon bei „Deli“ angekommen; oder ist nur „Deli“ bei den Fritten angekommen?

4 km ist noch Industrie, dann wird es grüner. Ab und zu quillt zwischen dem Grün dann doch noch einmal eine Fabrik, eine Kiesverladestation oder ähnliches hervor.
Bei tkm 17 eine Pause in Sambreville.



„Ick bün Aldi, ick bün all dor!“

Mittags um 12 Uhr bin ich bei tkm 42 in Charleroi. Der Parcour wird hier durchgehend auf Holzbohlen am Wasser durchgeführt. Kurz vor dem Wechsel der Flussseite bin ich im Zentrum auf einem kleinen Platz.
Da Zeit für eine Pause ist, lasse ich mich bei einem Italiener zu einem preiswerten Dreigang verführen. 


Der Feinschmecker in mir will gerade anfangen zu diskutieren, da wird er von der Vernunft zum Schweigen gebracht. Bei so einer langen Reise kann man die Speisekarte nicht immer von hinten lesen; da ist das Budget schnell überzogen...

Nach der Pause auf der anderen Flussseite wird es ganz schnell wieder industriell: und zwar „soetwasvon“, dass man das gesehen haben muss. Die Hauptfarbe ist Rost! Links von mir eine Fabrikhalle in Kathedralengröße: überall Verfall, kaputte Fenster. Rechts von mir überdimensionale Schuppen, wo noch gearbeitet wird: ein riesiger Greifer senkt sich in Zeitlupe in einen Frachtkahn und greift sich Metallschrott und deponiert ihn krachend auf einem hochhaushohen Haufen. Ein anderer Greifer im Inneren packt den Schrott offensichtlich in aufgestellte Container. Beim Weiterfahren ist links von mir eine ca 4 Meter hohe Mauer, hinter der gearbeitet wird. Hupend fährt ein Erdbeweger oder ähnliches hinter der Mauer vorbei. Ich kann einen Teil der Räder sehen: was müssen das für Maschinen sein! Turmhohe Kräne schwenken irgendwelche Lasten. Die rückwärtigen, ausgleichenden Gewichte schwenken über meinem Kopf. Ich bin fasziniert und habe Angst. Dazu der infernalische Lärm......







Hier könnte ein futuristisches Endzeitdrama gedreht werden......





Nach 5 km ist alles vorbei: eine Schleuse kommt, eher ein Schleuschen! Da geht kein Industriekahn mehr durch, da passen nur Sportboote durch: ich bin eeeeendlich in der Idylle angekommen. An den Schleusen niedliche Restaurants ( leider habe ich schon gegessen): so soll es sein! 
Jetzt ist es richtig schön!




Bei tkm 63 bin ich in Thuin: sehr hübsch liegt es da auf einem Felssporn mit der Kirche obenauf. 


Mein Zeltplatz liegt auch etwas landeinwärts, aber dieses Mal muss ich keine Talkante hoch....so denke ich jetzt.
In Thuin fahre ich durch die Unterstadt zu einer Bahntrasse, die mich gemütlich ins Hinterland bringt: sehr schön!

Jetzt kommt der Bericht, wie ich auf 82 km gekommen bin:
Nach Verlassen der Trasse überquere ich ein Flüsschen....verdammt, das heißt ja wieder hochfahren. Und so kommt es auch! Ich schiebe; aber es ist ja nicht weit. Oben angekommen stehe ich vor dem....Nichts!
Hunde fletschen die Lefzen und bellen. Der Besitzer kommt und erklärt mir, dass es den Camping schon seit 10 Jahren nicht mehr gibt. In 10 km Entfernung sei der nächste ( er ist schwer zu verstehen, da er nur noch wenige Zähne im Mund hat.
Naja, den anderen Camping hatte ich mir auch notiert.
Also wieder runter zum Fluss und - ja! - wieder hochschieben.
Beim nächsten Camping gibt es an der Hauptstraße ein Hinweisschild: ich bin beruhigt. Aber als ich dann ankomme: desolat! Kein Patron, nur ärmliche Mobilhomes, Klo verschlossen: die sind gar nicht auf Reisende eingestellt. Nach vergeblicher Befragung zweier Bewohner zücke ich mein Handy und suche ein Hotel: in angeblichen 4,5 km Entfernung ist eins, akzeptabler Preis: Bong! Gebucht!
Es heißt Relais de la Haute Sambre. In meinem Hinterkopf höre ich ein Geräusch: die Nachtigall fängt an zu trapsen!
Haute heißt doch hoch! Und leider nicht auf meiner Flussseite! 
Also: jetzt ohne Rücksicht auf Verluste die Hauptstraße genommen und - hui - hinab zur Sambrebrücke und dann - jaaaa!- wieder hoch schieben. Es fühlt sich wie 10 km an!
17.30 Uhr Ankunft. So kann man auch 80km zusammen bekommen. Und mein Fitnesstracker verzeichnet ungewöhnlich viele Aktivminuten. Vielleicht habe ich ihn jetzt zu sehr verwöhnt..



...wenn mir hier das einheimische Bier angeboten wir, geht es nicht um Geschmacksrichtungen, sondern sie fragen, welche Alkoholstärke ich gern hätte.....plus fort natürlich 

1 Kommentar:

  1. Respekt! Respekt für diese Etappe nach der "Disco"nacht!
    Dafür gibt es morgen ein Wetter zum Genießen für Dich:
    Sonnig, wenig Wolken, maximal 21 Grad und leicht erfrischender Wind aus westlicher Richtung.

    Heute habe ich mit meiner älteren Nichte im Kino den sehr sehenswerten Film "303" gesehen: Ein Roadmovie von Berlin über Köln, durch Belgien , Frankreich bis nach Portugal. So bin ich Deine Route schon mal vorgefahren :-): Sehr lohnend.

    In einer Kritik der ZEIT zu diesem Film steht: " Reisen ist eine Daseinsform, die Herz und Bewusstsein öffnet."
    In diesem Sinne --- weiterhin gutes Reisen.
    Kranich

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