Reisebericht
Provence fürAnfänger
1.Szene: Ankunft
„Regen
geht gar nicht! Und bitte keine Berge!“ Das waren Jörgs Bedingungen, denen ich
vorbehaltlos zustimmte, obwohl ich wusste, dass ich sie nicht einhalten kann.
Es
war ein schwieriger Findungsprozess mit unserer Reise gewesen. Jörg hatte sich
zu seinem Ruhestand eine lange Radreise durch Europa vorgestellt, hatte aber
keinerlei Erfahrung mit Radreisen. Herausgefiltert hat sich mein Vorschlag für
diese 14-Tage-Reise durch die Provence. Was das Wetter anging, so ist in der
Provence der Septemberanfang normalerweise sehr stabil und schön - aber in meiner
Hand liegt das Wetter nicht.
Als Tour hatte ich einen sehr schönen und moderaten Flüsserundkurs herausgesucht mit einer 50km langen Abfahrt nach Überwindung der Wasserscheide; aber ganz umsonst war das nicht zu bekommen. Die Schikane auf dieser Tour war der Anstieg zur Überquerung des Luberon am zweiten Tag auf einer – meiner Meinung nach – bequemen Steigung mit anschließender grandioser Abfahrt nach Lourmarin.
Als Tour hatte ich einen sehr schönen und moderaten Flüsserundkurs herausgesucht mit einer 50km langen Abfahrt nach Überwindung der Wasserscheide; aber ganz umsonst war das nicht zu bekommen. Die Schikane auf dieser Tour war der Anstieg zur Überquerung des Luberon am zweiten Tag auf einer – meiner Meinung nach – bequemen Steigung mit anschließender grandioser Abfahrt nach Lourmarin.
Darf
man Radelpartner zu ihrem Glück zwingen?
So ergab es sich, dass wir um 17.30 Uhr in Orange aus dem Zug steigen. Die sommerliche Hitze bringt uns sofort zum Schwitzen, als wir unsere Fahrräder und das Gepäck aus dem Zug winden. Der Bahnsteig liegt in einer Kurve und deswegen steht der Waggon des TER aus Lyon geneigt, was wiederum bewirkt, dass die Tür immer wieder zufallen will. Dazu kommt, dass es auch noch keine barrierefreie Unterführung gibt, so dass wir Fahrräder und Gepäck die Treppe runterschleppen und dann auch wieder hoch schleppen müssen.
Wahrscheinlich
gebe ich deswegen nach, als Jörg bestimmt vorschlägt, dass wir auf der Terrasse
des Hotel de Provence auf dem Bahnhofsvorplatz einen Begrüßungsrosé trinken
sollten. Aber was solls? Es sind bis zum Zeltplatz nur 10km. Außerdem will ich in dem Hotel für den
Tag unserer Abreise sowieso ein Zimmer reservieren.
Also sitzen wir erst einmal beim Rosé und sind glücklich, die französische Luft einzuatmen, das Spiel des Sonnenlichts durch die Platanenblätter anzuschauen, der französischen Sprache zu lauschen: wir sind im Süden angekommen!
Also sitzen wir erst einmal beim Rosé und sind glücklich, die französische Luft einzuatmen, das Spiel des Sonnenlichts durch die Platanenblätter anzuschauen, der französischen Sprache zu lauschen: wir sind im Süden angekommen!
Wir radeln dann nach einer halben Stunde los und kommen zufällig an einer Markthalle vorbei, wo wir all die französischen Köstlichkeiten einkaufen können, die uns den Zeltabend versüßen sollen: Paté, Käse, Oliven, Melonen, Pfirsiche, Baguette. Auf dem Zeltplatz in Jonquières angekommen, bauen wir auf und ich schleiche mich zum Schwimmbad nebenan: dort gibt es nämlich eine Bar, die mir gekühlten Roséwein verkauft, ihn noch hübsch in eine Karaffe füllt, und der dann meine Überraschung für unseren ersten Zeltabend ist. Für den heutigen Tag darf ich mir – so glaube ich – ein Sternchen eintragen.
2.Szene: Abend in Bonnieux
Bonnieux
„Du
glaubst doch nicht, dass ich da hoch radel!“ Mit „da“ meinte Jörg den Luberon,
der wie eine Riesenbratwurst in der Landschaft liegt und den Weg versperrt.
Unser zweiter Radeltag brachte nämlich den Anstieg nach Bonnieux. Ich musste
das, was nun vor uns lag, ein wenig verniedlichen. Und ich versicherte, dass es
nach Erreichen unseres Ziels Bonnieux
nur noch abwärts gehen würde. Was natürlich nicht stimmt.
Dabei
ist der Anstieg sehr gemäßigt, weil die Erklimmung der Höhe quer zum Hang
erfolgt. Aber immerhin: ca 9km lang geht es mit langsamen 12km/Std
den Berg hoch, dazu war es schönes Wetter, sprich: es war heiß!
Picnic auf dem Zeltplatz
Aber
nun, wo wir auf dem Zeltplatz lagern und den sensationellen Sonnenuntergang
fotografieren, ist alles wieder gut. Beim Platzwart gab es vorhin Ziegenkäse
und gekühlten Wein zu kaufen, der uns in eine dankbare Stimmung versetzt hat.
Dazu
beigetragen hatte dann sicher auch das tolle Essen heute Mittag auf der
Terrasse des sternwürdigen Restaurants Le Fournil, das auf halber Höhe in Bonnieux liegt.
Der Ort windet sich nämlich
wie ein Schneckenhaus einen Felsensporn hoch, der zu dem Durchlass zwischen
Petite Luberon und dem Grand Luberon führt. Selbigen wollen wir morgen
ansteuern. Nach dem üppigen Mittagessen (die Tagesetappe von Galas hierher war
mit 27km kurz gehalten) streiften wir durch den Ort, machten Fotos und konnten
von oben auf die zurückgelegte Strecke zurückblicken. Das machte Jörg dann doch
ein wenig stolz. Das war dann der geeignete Moment, wo ich erwähnen konnte,
dass wir morgen dann doch noch 2,5km aufwärts fahren müssen, bevor wir die
tollen 10km Abfahrt nach Lourmarin genießen können.
Tal der Durance bei Manosque
Der
Samstagsmarkt in der Altstadt von Manosque ist bunt und exotisch. Da Jörg ein
begnadeter Hobbykoch ist, wollte er unbedingt einmal auf einen großen
französischen Markt. So nahm er
auch gestern 65 Kilometer in welligem Vorhügelland in Kauf. Aber der Reihe
nach:
den Aufstieg in Bonnieux
hatten wir mit einem Fotostopp gut hinter uns gebracht. Die folgende Abfahrt
(10km bis Lourmarin)durch einen Gorge, also einer Schlucht, sollte man sich nicht
entgehen lassen. Und Jörg genoss es. Während ich noch ängstlich abbremste, um
nicht zu viel Speed zu bekommen, gab Jörg dem Affen Zucker. Im angehübschten
Lourmarin waren wir dann wieder vereint und tranken den ersten Kaffee, obwohl
wir ja noch kaum etwas „gearbeitet“ hatten. Die Arbeit fing erst danach im
Vorhügelland an, wo wir zwar nicht hochfahren, aber einige Flusstäler queren
mussten. In Manosque angekommen gestern Nachmittag hatten wir dann die Durance
erreicht und waren damit im flachen, breiten Flusstal angelangt, dass uns die
nächsten Tage begleiten sollte.
Auf
dem Campingplatz „Oxygène“ fanden wir einen herrlich kühlenden Swimmingpool
vor, von dem wir uns gar nicht wieder lösen konnten. Und abends vor dem Kiosk
konnten wir das Schauspiel beobachten, wie Nounou, der Patron, die Badeliegen
millimetergenau ausrichtete. Nounou ist offensichtlich ein Ordnungsfanatiker,
was sich wohltuend am gepflegten Zustand des großen Waschhauses erkennen lässt.
Heute
haben wir also einen Ruhetag und sind die 8km nach Manosque hineingefahren und
lassen uns über den Markt treiben, der sich über die Gassen der Altstadt
verteilt. Jörg schwärmt mir die ganze Zeit vor, was für leckere Gerichte er mit
den Waren kochen könnte. In den Gassen – also mitten auf dem Markt - setzen wir
uns in ein arabisch angehauchtes Restaurant und genießen Südfrankreich und
feiern das südliche Leben. Wir kaufen noch für den Abend ein: Melone, Schinken,
Käse usw. Am Nachmittag das
gleiche Programm wie gestern: Baden und abends beim Wein die Badeliegenzeremonie.
Die Alpen bei Laragne
Das
Gewitter rollt immer näher heran und oben in der Luft offensichtlich
Riesengeier, die über dem Zeltplatz kreisen. Nein, es sieht nur so aus: neben dem Zeltplatz ist ein
Landeplatz für Drachenflieger. Und in der Luft sind sieben davon, die vor dem
herannahenden Gewitter geflohen sind und zu einer schnellen Landung ansetzen
wollen. Das ist schon ein Schauspiel der besonderen Sorte.
Es
ist wirklich nicht langweilig auf diesem schlichten Zeltplatz. Die Zeltnachbarn
sind alles kernige Frauen und Männer, die diesen Sport ausüben. Wir sind eher durch Zufall hier
gelandet, weil das dräuende Gewitter uns drängte, jetzt schon ein Quartier zu
suchen. Und das bereuen wir nicht.
Nachdem
wir gestern Manosque verlassen hatten – immer der Durance aufwärts folgend –
sind wir heute Mittag bei Sisteron in ein Nebental abgebogen – dem Tal der Bueche – und hier am frühen Nachmittag angekommen. Wir sind damit auch in das Departement
Hautes-Alpes (Hohe Alpen) eingefahren, was uns mit Stolz erfüllte und Grund
genug war, das Schild als Beweis zu fotografieren.
Auch die Kulisse hat sich verändert: sah es morgens noch wie Südfrankreich aus mit sanfteren Hügeln, sind die Berge jetzt schroffer und in den Tälern steht jetzt statt Mais und Feldgemüse ein Apfelbaum neben dem nächsten. Hier in Laragne scheint die Thermik für die Drachenflieger ideal zu sein, wurden hier doch schon Weltmeisterschaften geflogen. Zum Drachenflieger-Campingplatz gehört ein Clubhaus, in dem abends ein Table d´Hôte angeboten wird. Davon machen wir spontan Gebrauch und melden uns an. Und so sitzen wir abends an langen Tischen bei einem typisch französischen Essen und lauschen den Gesprächen der Drachenflieger.
5. Szene: Aufstieg und Abfahrt
im Gorges de l´Aigues
„Du
hast doch gesagt, es geht jetzt nur noch abwärts!!“ Der kleine, aber steile
Gegenanstieg nach St.André lässt Jörg an meiner Glaubwürdigkeit zweifeln. Ich
kann ihn dann – oben angekommen - mit einem Kaffee und einer Fotopirsch
ablenken. Allen Zweifeln zum Trotz ist dieser Tag wirklich der Höhepunkt der
Reise: 25km unmerklicher Aufstieg
– dem Flusslauf der Blaisance folgend - und dann 52km Abfahrt. Wir haben uns im Flusssystem der
Durance, der Bueche und nun der Blaisance langsam an die Wasserscheide zum
Aigues herangepirscht, haben bequem einen veritablen Pass erklommen und fahren
jetzt wirklich nur noch abwärts – jedenfalls hinter St.André. Und das bis nach Nyons! Das Tal wird
immer enger und ist im letzten Teil wieder eine tiefe Schlucht, die der Aigues
im Laufe der Jahrmillionen gegraben hat. Obwohl wir im weiteren Verlauf auf
einer Hauptstraße sind, ist der Verkehr mäßig und es lässt sich gut radeln.
Kurz vor dem Austritt des Flusses in die Ebene finden wir einen Zeltplatz in
einer Flussbiegung, in der man baden kann. Was für eine herrliche Erfrischung
am Ende des Tages!
Weinfelder
bei Villedieu
„Was
ist das denn? Das geht ja gar nicht“! Was Jörg hier moniert, ist der Mistral,
ein Sturmwind, der aus nördlichen Richtungen kommend das Rhonetal herunterfegt
– und das bei schönstem Sonnenschein und strahlend blauem Himmel.
Ich
tröste ihn, dass wir den Sturm auf der Rückfahrt im Rücken haben werden. Aber
das hilft ihm nicht wirklich. Vorher schon hatten wir eine Verstimmung, weil
Jörg für unseren Ausflug heute endlich mal sein Navigationsgerät Garmin
einsetzen will, was ich als Master of the Tour bisher behindert hatte. Obwohl
der Garmin im Radfahrermodus ist, zeigt er natürlich mit seinem Kartenmaterial
nicht die schönste, sondern die direkte Strecke an – und die ist geradeaus und
langweilig. Dazu der enorm starke Gegenwind. Das kann schon verdrießen!
Gestern
waren wir – von Nyons kommend – auf dem Zeltplatz außerhalb von Tulette
gelandet, einem lauschigen Zeltplatz an den Ufern des Aigues mit Pool und
kleiner Restauration. Von dort starten wir unseren Ausflug. Nachdem wir also
nach der schnurgeraden Strecke in Vaison-la-Romaine angekommen sind und unseren
Rundgang gemacht haben, schalten wir zur Weiterfahrt nach Villedieu nun doch
den Garmin aus und vertrauen meinen Karten- und Ortskenntnissen. Villedieu ist ein hübsches Dorf auf
einem Hügel, umgeben von Weinfeldern, mit einer wunderbaren Aussicht auf das
Aiguestal. In der Mitte auf dem platanenbeschatteten Platz kann man sich
niederlassen und sich von den umliegenden Restaurants bedienen lassen. Und so
machen wir das auch. Wir bekommen Tapas a la Francaise, einen wunderbaren Salat
und – da wir heute ohne Gepäck fahren – auch ein Glas gekühlten Rosé. Oder
waren es zwei? Und danach kommt die Rückfahrt auf einer lauschigen Nebenstraße
inmitten der Weinfelder, mit dem Wind im Rücken, zurück nach Tulette. Und alles
ist wieder gut.
7.Szene: Finale
römisches
Amphitheater in Orange
Die
berühmte Fontäne sprüht wirklich enorm, aber irgendwie sinnlos in die Höhe. Ist
aber nett anzuschauen, als ich meinen Eisbecher verspeise. Hier sind wir schon
in Genf am See und unsere Reise ist leider fast zu Ende.
Gestern sind wir von Tulette nach Orange
zurückgefahren, was in zwei Stunden erledigt war. Wir bezogen unser anfangs
erwähntes reserviertes Zimmer im Hotel am Bahnhof und hatten dann Zeit die
Stadt zu besichtigen. Immerhin befindet sich hier das einzige vollständig
erhaltene römische Amphitheater in Europa.
Heute morgen dann - nach dem Frühstück auf der
Hotelterrasse – haben wir den Zug bestiegen, sind in Lyon umgestiegen und haben
nun in Genf mehr als vier Stunden Zeit bis zur Weiterfahrt nach Basel. Und die
nutzen wir. Mit dem Fahrrad ist man so schnell weg vom Bahnhof und unten am See
und kann die Szenerie genießen. Die Schönwettergarantie scheint auch die
Schweiz abzudecken.
Um 17.15 besteigen wir dann den Zug nach Basel, wo
wir weitere Umsteigezeit auf der Terrasse eines Hotels auf dem Bahnhofsvorplatz
verbringen. Ein herrlicher lauer Abend, an dem wir verschiedene Schweizer Weine
probieren. Und dann der Barwagen im CityNightLine! Schöner kann man nicht durch
die inzwischen dunkle Nacht reisen. Dieser lauschige Barwagen ist das Beste der
deutschen Bahn.
Am
Ende des Tages haben wir dann wirklich die nötige Bettschwere. Das Schaukeln
und Rattern des Zuges lullt uns in den Schlaf. Kurz bevor ich endgültig
einschlafe, höre ich Jörg sagen, dass er schon immer mal mit dem Fahrrad durch Schottland fahren
wollte. Habe ich irgendetwas
darauf geantwortet?
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