Montag, 5. Februar 2018

vom Atlantik zum Mittelmeer: Bericht


Reisetagebuch / Sommer 2011 


Vom Atlantik zum Mittelmeer
eine Radreise (fast nur) auf den motorverkehrsfreien Wegen des französischen Veloroutennetzes

Dass in Frankreich ein Veloroutennetz im Aufbau ist, habe ich erst diesen Winter herausgefunden, nachdem ich bei Google den Begriff „voies vertes“ - also grüne Wege - eingegeben hatte.  Da gibt es doch inzwischen einen französischen Verband, der diesen Aufbau voranbringen will und die vorhandenen Wege auf einer interaktiven Karte darstellt (www.af3v.org). Da eröffneten sich mir plötzlich ganz neue Möglichkeiten.
Der zweite glückliche Umstand erschien mir, als ich routinemäßig auf die Seiten der französischen Bahn(SNCF) ging, um zu prüfen, ob sie ihre vor Jahren gemachte Ankündigung, in allen TGVs die Fahrradmitnahme zu ermöglichen, wahr gemacht haben. Und siehe: eine Extraseite Bahn und Velo zeigte auf, dass ab diesem Sommer die TGVs nach Westen und Südwesten Fahrradmitnahme ermöglichen. Zwar nur 4 Plätze pro Zug, aber immerhin. Halleluja! Nun stand meiner Reise nur noch die Erkundung des Bahnhofswechsels in Paris im Wege (kein Zentralbahnhof!) und der Fahrkartenerwerb (französischer Inlandsverkehr mit Fahrradreservierung nur bei SNCF-Agenturen). Das waren zwar abenteuerliche Aufgaben, die ich aber schlussendlich gelöst habe.
Und so konnte ich am Dienstag, den 9. August 2011 an den Start gehen, indem ich in Hamburg-Altona in den Nachtzug Richtung Zürich stieg....


1. Tag, Paris

Mittwoch, 10. August
Morgens um 4.30 steige ich in Karlsruhe aus dem Nachtzug. Das ist nicht gerade die schönste Zeit zum Umsteigen, zumal das Bett in meinem Singleabteil 100 Euro gekostet hat. Aber da ich dieses Jahr spät dran war mit Buchen, hatte ich im Nachtzug direkt nach Paris keinen Sparpreis und auch keinen Fahrradplatz mehr bekommen. Also der umständliche Weg! Es ist 4.30 Uhr und ich muss warten, dass um 5.00Uhr McDonalds öffnet, damit ich mich mit einem Frühstück stärken kann. Danach fahre ich noch ein bisschen durch die noch schlaftrunkene Karlsruher Innenstadt.



Nach 7 Uhr geht’s mit dem TGV weiter nach Paris. Spannend wie immer die Frage, wie und wo das Fahrradabteil ist. Auf dem Wagenstandsanzeiger steht bei der reservierten Wagennummer nur 1. Klasse! Aber es gibt dort entgegen der Ankündigung ein kleines 2.Klasseabteil mit einigen Klappsitzen, an die bis zu vier Fahrräder gelehnt werden können. Da hat sich die SNCF nicht gerade ein Bein ausgerissen, um die EU-Richtlinie umzusetzen. Aber immerhin sind sie damit weiter als die deutsche Bahn, die den Fahrradtransport im ICE immer noch verweigert. 
Einmal eingestiegen im TGV wird es gemütlich. Ich fahre bis zur Endstation Paris Gare de l´Est. (2014: Achtung!! Im Moment verkehren auf dieser Strecke TGV Doppelstockwagen, die keine Fahrräder mitnehmen!)
 Um 11 Uhr bin ich da. Erst am nächsten Tag will ich vom Gare de Montparnasse weiterfahren. Ich habe mir in Montparnasse ein Hotelzimmer reserviert und habe damit als erstes Erlebnis meiner Reise einen Tag Paris. Die Fahrt durch die Stadt geht sehr gut, meist auf Busspuren, immer geradeaus   und einmal rechts. Den Parcour habe ich mir im Internet vorher angesehen und habe auch einen Stadtplan dabei. 



Dadurch, dass die Straßen alle gerade und rechtwinkelig zueinander sind und meist auch Einbahnstraßen, lässt es sich gut fahren.
Nachdem ich im Hotel eingecheckt habe, erkunde ich Paris mit dem Fahrrad.
  


2. Tag,  38km,
La Rochelle – Île de Ré

Donnerstag,  11. August
Um 9.15 geht mein Zug nach La Rochelle. Um 8.15 Uhr stehe ich schon auf dem Bahnhof. Ich plane immer viel Zeit und nur scheinbar nutzloses Warten ein. Das Reisen wir nur zum Erlebnis und Teil der ganzen Reise, wenn keine Hektik aufkommt. Und auf einem Bahnhof gibt es immer viel zu Gucken. Man lernt auch etwas über das französische Pendlerleben. Der Abfahrtsbahnsteig wird auf den französischen Bahnhöfen immer erst sehr spät angezeigt. Erscheint er auf dem Display in der Halle, setzt sich plötzlich eine große Karawane in Bewegung... 



Um 12.30 bin ich dann in la Rochelle. Erste vorsichtige Erkundung ins Zentrum, das verstopft ist mit Touristen. Im Office de Tourisme besorge ich mir ein Campingplatzverzeichnis der Insel Ré und danach: Essen am alten Hafen.  Ein Restaurant neben dem anderen mit Außengastronomie und alle Menschen essen. Bin ich denn so anders als die?
Danach gestärkt und geschwächt zugleich folge ich den Schildern für den Autoverkehr zur Insel Ré. In den Außenbezirken tut sich ein Fahrradweg auf, der zur Mautbrücke führt (für Radfahrer mautfrei!) und mich auch auf der Insel nicht verlässt. Man kann die ganze Insel auf Radwegen erkunden. Nach einer Stunde Fahrt  fange ich an, einen Zeltplatz zu suchen. Davon gibt es reichlich. Aber alle sind „complet“. Dass es vor dem 15. August an der Küste schwierig werden würde, wusste ich, aber dass ein kleines Ein-Personen-Zelt nicht aufgenommen wird, ist eine neue Erfahrung. Ich mache mich wieder auf den Rückweg, um die Insel  zu verlassen, als ich in La Flotte noch einen Einfachzeltplatz entdecke, der noch einen Platz für mich hat. Und der ist dann auch preiswert. Mal wieder Glück gehabt!!
Und in diesen Ort La Flotte verliebe ich mich dann, was man nicht zuletzt an den vielen Fotos merkt, die ich von dem kleinen Hafen gemacht habe. 






Abends ist hier die Flanier- und Essmeile. Und so halte ich es auch: natürlich bestelle ich zuerst einen Meeresteller, den alle hier anbieten. Mit dem größten Austernzuchtgebiet Frankreichs direkt vor der „Tür“ ist das ein Muss. Auf dem Teller sind dann neben Austern noch Scampies und Meeresschnecken (bulots). Dazu dann kühlen Wein, vor dem Essen ein Pastis....: das französische Ferienleben nimmt seinen Anfang.



Die Insel ist gespickt mit Touristen. Es sind eher die schickeren Franzosen, die hier Urlaub machen. Aber statt mit dem Porsche vorzufahren, bewegen sich hier alle mit dem Fahrrad: vom Verleiher oder aus dem Ferienhaus oder mitgebracht: alle fahren Fahrrad, geübt und auch ungeübt, immer die ganze Familie im Pulk. Da muss man als (schnellerer) Einzelfahrer aufpassen, überhaupt wahrgenommen zu werden.
Am Hafen nimmt also mein erster Abend einen glücklich-verliebten Verlauf und geleitet mich dann in einen ruhigen und tiefen Schlaf der ersten Zeltnacht.


3. Tag,  68km,
Rundfahrt Île de Ré


Freitag, 12. August
Frühmorgens trommeln Regentropfen auf mein Zelt. Das hört sich immer schlimmer an, als es ist. Aber immerhin: der Himmel ist verhangen, als ich zum Frühstücken wieder zum Hafen fahre. Dies zu ergattern ist kein Problem! Einige Bars haben schon geöffnet. Sie sind wie fast alle in Frankreich eine angebetete Dreifaltigkeit: Café und Bar zugleich und abends dann Restaurant. Jetzt ist hier nicht viel los. Einzelne Radfahrer fahren vorbei, aus deren Rucksäcken Baguettestangen herauslugen. Die Kühlwagen der Gastronomiebeschicker fahren vor und füllen die Vorräte der Restaurantküchen für den Abend auf.


Ich will heute ohne Gepäck die Insel erkunden. Aber die Regenkombi – so sieht es aus – muss mitgenommen werden. Die Hälfte der Insel besteht aus Marschland mit unzähligen aufgegebenen Meersalzgewinnungsbecken, um die der Radweg geschickt herumschlängelt. Die andere Hälfte der Insel besteht aus sandigen Geestrücken, auf der große Kiefern ihren Duft versenden. Sobald die Sonne auf die Kiefern scheint, wähnt man sich im (Ferien-)Paradies. 


Am späten Nachmittag bin ich in La Flotte zurück, habe 68km auf dem Tacho und die Insel quasi umrundet. Eine schöne Gelegenheit, auf den Abend zu warten und das Programm von gestern zu wiederholen: am Hafen sitzen, einen Aperitif bestellen, dann der Wein und der Meeresteller und dann...









4. Tag,  76km, Ré - Rochefort


Sonnabend, 13. August
Heute geht die Tour richtig los. Die Sonne ist wieder da. Nach einer Stunde bin ich wieder in La Rochelle und trinke einen (teuren) Kaffee. 

 
Es soll eine Veloroute geben nach Rochefort, die zwar nicht verkehrsfrei, aber doch  ausgeschildert ist. Nur: was nützt einem das, wenn man nicht weiß, wo die Ausschilderung anfängt. Ich taste mich südwärts  auf Nebenstraßen und muss lernen, dass eine qualifizierte Wegweisung erst nach dem Ort Châtelaillon anfängt. 



In Rochefort selbst gibt es an den Ufern der Charente eine schöne Umrundung des Ortes. Aber die Wegweisung in Vergeroux zeigt nur ins Zentrum. Hier zeigt sich zum ersten Mal, dass ein Verlinkung der verschiedenen Voies Vertes nötig ist. Ich irre also ein bisschen herum, bis ich den Anfang der 12km langen Strecke finde. Das hat sich dann aber gelohnt.

 
Der Weg führt an einer alten Schwebefähre vorbei, die jetzt nur noch für Fußgänger und Radfahrer geöffnet ist. Und ein kleines Restaurant ist auch davor: Zeit für eine Pause.


Danach geht die Umrundung des Ortes weiter bis ich abzweige, um den kommunalen Zeltplatz zu suchen. Der ist billig, gut organisiert und mit sauberen Sanitäranlagen versehen und liegt am Rande der Stadt: was will man mehr?
Nachmittags kann ich die Stadt erkunden. Sie ist unter Ludwig dem 14. von Colbert als eine Marine-Garnisonstadt geplant worden mit Anlagen für Schiffbau und Zubehör (Corderie).
Das ist jetzt alles schön hergerichtet und nett anzusehen. Große Schiffe fahren heute noch die Charente herein bis zum (modernen)Hafen.
Außerdem kann ich in der Stadt einkaufen. Heute soll vor dem Zelt gekocht werden (Salat, Lammkotelets, Weißwein, Käse, Melone, Joghurt). Und als speziellen Nachtisch gibt es noch lautstarke Karaoke auf dem Gemeinschaftsplatz. Dem Klangschwall kann man sich nicht entziehen. Aber der Abend ist südlich lau, der Wein entfaltet seine Wirkung und ich bin glücklich.









5. Tag, 78km,
Rochefort – La Palmyre
Sonntag, 14. August
Heute soll es Richtung Girondemündung gehen. Westlich von Rochefort, hinter Tonnay, gibt es eine Eisenbahnstrecke, die ich nehmen will. Das ist zwar ein Umweg, aber ich will diese Wege ja erkunden und so viel wie möglich verkehrsfrei fahren.
Es ist noch früh, als ich auf dem zentralen Platz in Rochefort in ein Café einkehre. Der Himmel ist schon wieder wolkenverhangen. Bis Tonnay tue ich mich etwas schwer, den richtigen Weg zum Einstieg in die Voie verte zu finden. Ich entscheide mich dann, die alte Hängebrücke mit der grandiosen Aussicht zu nehmen, die jetzt auch nur noch für Radfahrer und Fußgänger geöffnet ist.  
 
 

Danach biege ich links ab und finde einen späteren Einstieg in die Eisenbahnstrecke, die hier die D-128 überquert. Der Weg ist sehr schön, geradezu romantisch. 

Schade nur, dass diese Strecke im Moment noch so unvermittelt in Bellevue aufhört. Hier müsste man ca 4km die vielbefahrene D123 nehmen, um wieder auf Nebenstraßen zu kommen. Ich entscheide mich - rechts vom Kanal - etwas zu nehmen, was wie ein Weg aussieht. Keine gute Wahl! Der Weg wird zum off-road-trail, der mit meinem Rad und dem Gepäck sehr mühsam zu fahren ist. Aber dann nach ca 4 km bin ich wieder auf dem Asphalt einer Nebenstraße und schleiche mich so nach Marennes hinein. 
Rechtzeitig zur Mittagspause regnet es. Den überstehe ich unter einer Marquise bei einem Dreigangmittagsmenue.
Nach dem Menue hört der Regen praktischerweise auf und ich fahre auf Radwegen zur großen Brücke über die breite Mündung des Flusses Seudre. Von oben hat man eine fantastische Aussicht – trotz der schweren Regenwolken, die am Himmel hängen. Und in der Ferne winkt die  Île d´Oléron.
 




Hinter der Brücke geht es bald rechts nach Ronce-les-Bains und hier beginnt der erste lange Radweg durch den Pinienwald (29km), der dann jenseits der Mündung der Gironde so unendlich fortgesetzt wird. Wald, nichts als Wald! Ist das langweilig? Ja und nein. Es ist einsam, die Landschaft wechselt erst einmal nicht, aber man kommt auf dieser angenehmen Strecke in einen flow hinein, die Gedanken können abschweifen, die Luft ist gut und die Grillen zirpen... Was will man mehr?

Am späten Nachmittag dann, in La Palmyre, kommt die kalte Dusche: hier bin ich mitten im Massenferienbetrieb. Die Straße zur Ortsmitte und zum Strand ist mit Autos im Schritttempo verstopft. Und der Zeltplatz lässt es auch an Kuscheligkeit fehlen. Aber das wusste ich ja vorher: an den Küsten ist es in der Hochsaison einfach voll!  



6. Tag, 68 km,  
La Palmyre - Montalivet
Montag, 15. August
Nach La Palmyre geht der Radweg noch um die Bucht und endet dann in St. Palais-sur-Mer. Jetzt ist es nicht mehr weit bis Royans zur Fähre. Die Strecke muss allerdings auf der Straße gefahren werden. Morgens hatte noch ein Regenschauer aufs Zelt getrommelt. Jetzt ist der Himmel verhangen. Die tollen Fotos mit Reflexionen der Sonnenstrahlen in der Gironde kann ich mir abschminken. Aber beeindruckend ist sie dennoch, diese riesige Trichtermündung. Eine halbe Stunde dauert die Überfahrt zum Pointe de Grave. Gelegenheit, einen Kaffee zu trinken und das Handy an einer Steckdose nachzuladen...
 

 Drüben auf der anderen Seite klart es etwas auf: der Tag wird noch gut!
Und gleich hinter dem Fähranleger geht der Radweg los, immer parallel zur Küstenlinie (Dem könnte man fast runter bis Biarritz folgen!)

Das bedeutet: große Dünen, bewachsen oder unbewachsen, Pinienwälder, entspanntes Fahren, Ruhe bis....ja bis der nächste Ferienort kommt. 


In diesem Rhythmus geht es die nächsten zwei Tage. Im Ferienort kann man sich dann hinsetzen, essen und trinken und dann wieder abtauchen in die Einsamkeit. Die Landes, wie die Gegend hier heißt, sind bis auf den hohen Dünengürtel flach und bewaldet. Straßen fräsen sich schnurgerade durch die Landschaft. Wie schön, dass ich meinen Radweg habe. Hier könnte man länger bleiben und auch noch die großen Seen erkunden, die im Hinterland liegen. Aber mein Ziel ist ja das Mittelmeer und bis dahin ist es noch ein ganz schön weites Stück!
 




In Montalivet checke ich auf dem riesigen Zeltplatz ein, passiere die Security mit meinem Armbändchen, das sagt, dass ich berechtigt bin, mich auf dem Platz aufzuhalten und warte auf den Einweiser, der mit seinem Elektrokarren voraus fährt und mir mein Emplacement zeigt. Die absolute Hochsaison, zumindest für die Franzosen, ist mit dem gestrigen Sonntag vorbei. Aber es ist immer noch voll genug. 
Wie schön, dass man auf dem Radweg fast allein ist...  




7. Tag, 68 km,
Montalivet – Le Porge
Dienstag, 16. August
Der schönste Teil der Küstenradstrecke folgt aber erst heute, hinter Montalivet. Hier ist die Strecke zum Teil nur ein schmales Betonplattenband. Die Legende sagt, dass es von der deutschen Wehrmacht, die auch diesen Teil Frankreichs besetzt hielt, im Krieg angelegt worden ist, damit in dieser straßenfreien Zone die Kraftradmelder die Kommunikation sicher stellen konnten.
Auf diesem Band ist es teilweise sehr schwer zu fahren, weil die Piste an einigen Stellen nur notdürftig ausgebessert ist und einige Platten ganz zerbrochen sind. Aber die Strecke ist so etwas von romantisch, dass einem das Herz aufgeht!
 

 Nach einer paar Kilometern wird der Radfahrer dann bis zum nächsten Ferienort auf einen asphaltierten Forstweg umgeleitet, um Gefährdungen auszuschließen. Schilder kündigen eine baldige Renovierung der Radstrecke an.
Im nächsten Küstenort gibt es dann wieder Kaffee und gekühlte Orangina: das ist die französische Limonade, die so gut kommt, wenn es heiß ist und man geschwitzt hat und vielleicht ein bisschen unterzuckert ist.  
 

Und dann geht es wieder in die Einsamkeit.
Am Nachmittag bin ich in Le Porge-Océan. Das ist nur eine Kulissenstraße mit 8 Cafe-Restaurants und einem Zugang zum Meer, davor ein riesiger Parkplatz und ein Zeltplatz, auf dem ich nun Quartier mache. 


Als ich abends in der Campingplatzbar ein Abendessen einnehme, komme ich dann wieder gratis in den Genuss eines Karaokeabends.... 



8.Tag, 74 km,
Le Porge – Arcachon - Mios
Mittwoch, 17. August
Heute soll der erste Höhepunkt der Reise kommen: der Transfer mit der Fähre über das Becken von Arcachon. Aber zuvor muss ich noch 30km weiter auf dem Radweg hinter den Dünen bis Cap Ferret radeln. Da es auf dem Zeltplatz von Le Porge zu früher Stunde noch keinen Kaffee gibt, fahre ich mit einem Croissant im Bauch los; die nächste Ferienstation kommt gewiss. Und so ist es auch. In Le Grand Crohot ist das Café jetzt geöffnet und ich lasse mich nieder. Diese Station ist noch minimalistischer: ein Parkplatz, ein Café, ein Zugang zum Strand und wahrscheinlich eine Rettungsschwimmer Station.
Als ich weiterfahre, wird die Strecke belebter. Das Becken von Arcachon ist sehr schön und bietet viele attraktive Freizeitmöglichkeiten. Und das hat die Ferienindustrie natürlich schon lange bemerkt. So ist die Wasserseite rund um das Becken gepflastert mit Feriendomizilen. Ich fahre nach Cap Ferret und nehme die Fähre nach Arcachon, was eine Überfahrt von 30 Minuten ist. Elektrofahrräder werden nicht mitgenommen, weil jedes Rad einzeln über die Reling gehoben werden muss und Elektrofahrräder zu schwer sind.


 

Diese könnten ja auch an Land auf einer sehr schönen Eisenbahntrasse um das Becken herum fahren. Aber ich lasse mir die Gelegenheit zu einer Schifffahrt natürlich nicht entgehen.
In Arcachon angekommen ist es schwer, den Einstieg in den Radweg zu finden. Ich hätte mir einen Teil des Stadtplans ausdrucken sollen. Naja, nächstes Jahr wird das der Vergangenheit angehören. Dann werde ich ein Smartphone haben mit Navi und kann mir bei Bedarf den Stadtplan aufs Display laden. Also in Arcachon und La-Testé-de-Buche muss ich ein bisschen suchen, aber danach bin ich in der Spur und komme in Le Teich an, wo ich mir im Office de Tourisme ein Campingverzeichnis für das Departement Gironde besorge. In Mios, am Beginn der Radstrecke, die mich ins Landesinnere bringen soll, suche ich den Zeltplatz auf, der so lauschig an einer Flussbiegung liegt und preiswert ist. Dort kann man romantisch lagern und auch ein bisschen im Fluss planschen. Ich beschließe, hier einen Ruhetag einzulegen. Den habe ich mir nach 468 km auch verdient.







9. Tag, Ruhetag, Mios
Donnerstag, 18. August
Heute kann ich es ruhig angehen lassen und mir zum Frühstück sogar Butter für mein knuspriges Baguette kaufen. Den Rest kann ich anschließend in der Faltschüssel im Wasserbad kühl halten. Dazu gibt es pro Tasse zwei Portionen Instant-Espresso, ein kleiner Schluck Milch dazu: gar nicht so übel.
Dann ist Zeit, die etwas langsamer trocknenden Bekleidungsteile zu waschen.
Danach ruft der Fluss.


Ich nehme meine Matte und mein zweites Buch (das erste ist schon „entsorgt“) und genieße die Ruhe am Flussufer. Ab und zu kommen Paddler vorbei, die sich mehr von der Strömung treiben lassen als dass sie paddeln. Gegen 12 Uhr ist es mit der Ruhe allerdings vorbei: da müssen die Franzosen Mittagspause machen. Viele Paddler landen an und packen lautstark ihre Chipstüten aus und was sie sonst noch so dabei haben.
Nachmittags treibe ich mich im Ort herum: da ist man schnell durch. Mein Pastagericht am Abend ist nicht so gelungen, was auch daran liegt, dass die Einkaufsauswahl im scheinbar einzigen Laden so spartanisch ist. (...den Supermarkt habe ich nicht gefunden. Es gibt ihn aber..) Danach ist wieder Lesen auf der Matte sitzend angesagt. Das rührt meinen heutigen (deutschen) Nachbarn so, dass er mir einen Stuhl anbietet, den ich dann etwas zweifelnd annehme. Später bringt er mir dann zu meinem gekühlten Cidre noch Chips. Ich habe es also richtig komfortabel. Als ich dann bei einbrechender Dunkelheit dankend den Stuhl zurückbringe, bietet man mir einen Platz am Tisch und Rotwein an und es wird noch ein richtig netter und lebhafter Abend!
 






10. Tag,  84 km, Mios – Bazas
Freitag, 19.August
Heute geht es in den Wald! Östlich der Küstenlinie erstreckt sich ein riesengroßes Waldgebiet in weitgehend flachem Gelände, das sich weit ins Landesinnere hineinzieht: die Gascogne. Und die ehemalige Eisenbahnstrecke nach Bazas fräst sich 76km fast schnurgerade durch diese Landschaft, jetzt exklusiv für den nichtmotorisierten Verkehr.



Das ist nicht sehr abwechslungsreich, aber eine hervorragende Möglichkeit, sich dem Kanal zu nähern. Man kommt dann nach einiger Zeit in einen richtigen Flow hinein und kann beim Pedalieren so vor sich hinträumen, denn andere Radfahrer sehe ich nicht und Autos sowieso nicht. 
 


Die Orte am Rande sind auch nicht so interessant, sodass ich mich auf Bazas mit seiner Wallfahrtskirche freuen kann und muss. In St. Symphorien gibt es immerhin ein nettes Café, wo ich mich stärken kann. 

Am Spätnachmittag komme ich dann - in einem langen Bogen um die Stadt, zum Schluss auf einem Viadukt mit wunderbarem Ausblick - im historischen Zentrum von Bazas an. Hier geht auch der Jacobsweg durch. 
 

Auf dem schönen, zentralen Platz gönne ich mir einen Eisbecher und suche dann den Zeltplatz, der etwas außerhalb liegt. Da geht es noch einmal ein Anhöhe hoch. Der Zeltplatz ist – ich sehe es schon von weitem – ein kommerziell geführter mit riesiger Badelandschaft und Kinderanimation. Das schlägt sich natürlich im Preis nieder. Aber ich bekomme eine schönes Emplacement ganz in der Nähe der Bar und einer kleinen Bühne – ein Privileg, dass ich erst am späteren Abend zu schätzen weiß. Die gekühlten Getränke aber an der Bar sind allerdings erstaunlich preiswert. Am Abend wird gegrillt: Steak/Frites oder Merguez/Frites. Die jugendlichen Sommerkräfte in diesem Camp haben ihre Grillprüfung wohl noch nicht bestanden. Und dann kommt schon die freitägliche Abendaufführung der Kindergruppe mit Musik. Die Mamis und Papis, die sich tagsüber am Rande des Pools gut ausgeruht haben, zielen nun entzückt mit ihren Kameras und Camcordern auf die Bühne. Und nach der Kindervorführung kommt (der aufmerksame Leser ahnt es schon!) dann die Karaokeshow.....
Aber ich bin ganz mild gestimmt und gegen 23.15 Uhr ist dann ja auch schon Schluss.  



11. Tag, 64 km,
Bazas – Lagruère
Sonnabend, 20. August
Heute habe ich ein kleines Stück Landstraße vor mir, bevor ich dann auf den Kanal mit seinem Treidelpfad treffe. Morgens liegt der Hügel, auf dem der Zeltplatz liegt, eingehüllt im Nebel. Die Luft ist feuchtigkeitsgesättigt und so auch die Innenseite meines Außenzeltes. So habe ich viel Zeit für Croissant und Kaffee an der Bar und warte, dass die Sonne den Nebel auflösen kann und mein Zelt etwas abtrocknet.


Dann geht es also über Nebenstraße nach Castet-en-Dorthe. Man muss es einmal sagen: so besonders die voies vertes auch sind, man kann in Frankreich auf den kleinen, nicht ausgebauten D-Straßen sehr gut und unbelästigt Rad fahren.

Zum zweiten Frühstück bin ich also in Castet. Ein Sandwich Jambon/Beurre und ein Grand Crème entfalten eine kräftigende Wirkung auf mich, besonders, als ich das Gleiche noch einmal bestelle. 
 

Und dann geht’s zum Kanal! 


Und der Weg hält, was er versprochen hat! Wunderbar, gleich unter Platanen, immer am Wasser geht der schöne Weg. Ich merke gegen Mittag, dass es ein sehr heißer Tag werden wird. Beim Fahren kühlt noch der Fahrtwind, aber beim Anhalten strömt es in Sturzbächen von der Stirn.
Es war von Deutschland aus unmöglich, beim Fremdenverkehrsamt Campingplatzverzeichnisse zu bekommen. Mein Besuch im Tourismusbüro von Le Teich hatte einen schönen Prospekt zu Tage gefördert, der aber nur die Zeltplätze im Naturpark der Gascogne auflistete.
Später in Le Mas d´Agenais kann man mir im Office de Tourisme auch nicht helfen. Der eigene Zeltplatz sei überfüllt, weil sie ein Festival haben. Weitere nahe dem Kanal kennen sie nicht (die Departementsgrenze ist nah!). Es wird immer heißer und ich mache mich wohl oder übel weiter auf den Weg. 
 

Nur 4 km später, an einer Haltestation für die Schiffe auf dem Kanal bei Lagruère, gleich neben einem Restaurant, ist ein einfacher Terrain de Camping! Na also! Schade nur, dass die Dame im Tourismusbüro so ahnungslos war.

Ich kann mich also duschen und dann in den Schatten verkrümeln. Ich komme dann noch ins Gespräch mit Stephen, einem Engländer, der wie ich mit dem Fahrrad unterwegs ist. Abends landen wir dann beide auf der Terrasse des Restaurants, wo wir herausragend gut essen und trinken und über das Leben philosophieren.  


12. Tag,  56 km,
Lagruère – Castelculier
Sonntag, 21. August
Schon morgens spürt man, dass es wieder so ein heißer Tag werden wird. 39 Grad Celsius sollen erreicht werden. Nach ca 8 km, in Damazan, finde ich einen Bäcker und ein Café, was mein Frühstück sichert. Ich strebe Agen an, eine mittelgroße Stadt, die wie jeder größere Ort bestimmt einen Campingplatz hat. Mittags packe ich meine Matte aus und mache unter einem Baum ein Nickerchen.
 

Nachdem der Kanal auf einer Brücke die Garonne überquert hat, biege ich in die Stadt ab. Diese ist sonntäglich ruhig und gibt mir keine Hinweise auf einen Zeltplatz. Ich fahre noch ins Zentrum und frage in einer Bar, aber ohne Ergebnis. Auch die Hinweisschilder für die Autofahrer fördern nichts zu Tage.
 


Ich fahre zurück zum Kanal und setze die Tour fort. Eine Gruppe radelnder Franzosen - wie ich mit Gepäck -, die ermattet unter einer Baumgruppe sitzen, haben einen Radführer und erzählen mir, dass der einzige Campingplatz in dieser Gegend geschlossen sei und sie wahrscheinlich in ein Hotel gehen müssen. Ich fahre weiter. Jedes Anhalten macht mich mit den Folgen körperlicher Betätigung bei großer Hitze bekannt.
 

Dann naht die Rettung: ein entzückendes Schleusenhäuschen, umgebaut zu einem Restaurant und Gästehaus mit dem sprechenden Namen Auberge de la Poule à vélo. Ideal!

Ich bestelle ein Getränk und frage nach einem Zimmer. Leider, leider haben sie für heute  Abend eine außerplanmäßige Schließung. Ich muss weiter ziehen. 2km weiter ein Hinweisschild auf ein Chambres d´Hôtes. Ich fahre dort hin: eine schöne Villa, aber auf mein Klingeln rührt sich niemand. Ich komme nicht mehr drum herum: ich muss jetzt die Telefonnummer anrufen, die auf dem Schild steht. Auf Französisch zu telefonieren ist eine Herausforderung für mich, die ich bisher gemieden habe wie der Teufel das Weihwasser. Aber es geht ganz gut. Trotzdem teilt der Besitzer mir mit, dass sein Gästehaus belegt ist. Aber er empfiehlt mir ein neugebautes Hotel in der Nähe. Er geht sogar noch weiter und  passt mich an einer Brücke ab und leitet mich zum Hotel. Dieses liegt in einem Gewerbegebiet, rundherum ist das Baustellenambiente nicht zu übersehen. Das Hotel ist geschlossen, niemand da. Ich mache mich mit dem Apparat vertraut, der am Eingang angebracht ist: automatischer Check-in. Sesam öffne dich! Mit Kreditkarte geht alles! 5 Minuten später habe ich meine Chipkarte für das Zimmer Nr 4 in der Hand, die auch die Hoteltür öffnet: Ich trete ein und bin im...Kühlschrank. Draußen sengende Sonne und 39 Grad, hier drinnen gefühlte 17 Grad. Ein verheißungsvoller Getränkeautomat in Sichtweite. Das Fahrrad wird im Zimmer geparkt.


Ende gut, fast alles gut. Am Abend muss ich dann aber doch noch einmal raus in die Hitze und aufs Fahrrad und ein Restaurant suchen. Ich irre hier also in der Gewerbemeile mit ausgebauter Hauptstraße herum und finde lediglich einen Pizzaservice. Egal - der kleine Schlemmer muss jetzt die Zähne zusammenbeißen. Die Pizza wird verspeist und anschließend wird noch eine Flasche  gekühlter Rosé erworben, den ich auf dem Zimmer öffne und nach einem halben Glas in den Ausguss kippe, weil er einfach nur ekelhaft schmeckt....  


13. Tag, 44km, 
Castelculier – Moissac 
Montag, 22. August
"Früh Aufstehen, Früh Ankommen" ist meine heutige Devise.
Das Frühstück im Hotel ist gut und reichhaltig. Gestärkt geht es um 8.30 weiter. Eine schöne Strecke, die zum Zusammenfluss von Garonne und Tarn führt. 


Eine Weile ist der Treidelpfad auch Teil des Jacobsweges. Von der Hitze ermattete Wanderer mit abgestumpftem Gesichtsausdruck kommen mir entgegen. Früh bin ich in Moissac, und bestelle mir zu Füßen der Wallfahrtskirche einen Eisbecher. 
Surprise! Im Office du Tourisme herrschen ausnahmsweise mal kompetente, aber auch strenge Damen, die nicht nur ein Campingplatzverzeichnis haben (Departement Tarn-et-Garonne!),  sondern mir auch noch sagen können, wo ich eine weitere Speicherkarte für meine Kamera kaufen kann!
 

Der Zeltplatz liegt auf einer kleinen Flussinsel mit hübschen, durch Hecken abgeteilten Emplacements und ist preiswert und sehr gut geführt. Dazu hat er einen kleinen Pool. Was will man mehr? Und da auch der Ort schön ist, beschließe ich, hier einen weiteren Tag zu bleiben.  



14. Tag, Ruhetag in Moissac
Dienstag, 23. August
Was macht man an einem Ruhetag? Man lässt es ruhig angehen! Also erst einmal in den Ort gefahren und für Frühstück gesorgt, wieder mit knusprigem Baguette, Butter, Marmelade und Schinken, frischer Milch. Die Reste werden – wie schon erwähnt - in der Faltschüssel gekühlt.
 

Der Kaffee wird gekocht und genossen und dann kann Wäsche gewaschen werden. Danach kommt eine Rundfahrt durch den Ort und über die Kanalbrücke (hier geht der Kanal über den Tarn, um weiter der Garonne zu folgen). Dann ist Mittagszeit und der Pool ist leer: dort kann ich jetzt entspannen.  Als er sich wieder füllt, fahre ich wieder in den Ort und kaufe Zeitungen und ein Buch in englischer Sprache, stelle im Supermarkt mein Abendessen zusammen, trinke Kaffee, genieße einen Eisbecher, besichtige die Kathedrale..... Also: Langeweile kommt nicht auf.  


15. Tag,  43 km,
Moissac – Grisolles
Mittwoch, 24. August
Vor mir liegt Toulouse. Und ich will dort nur durchfahren, nicht über Nacht bleiben. Also teile ich die Strecke so auf, dass ich heute nur eine kurze Tour habe, um morgen dann gegen Mittag durch Toulouse durchfahren zu können. 
Am Morgen dräut schon wieder ein Unwetter im Westen. Ich fahre los und habe das Gefühl, dass ich dem Unwetter entfliehen muss. Die dunkle Regenfront sitzt mir förmlich im Nacken. Deshalb hetze ich etwas. Und so bin ich schon um 11.30 in Grisolles, 30 km vor Toulouse.
Dort ist gerade Markttag und ich schaue von einem Café dem Treiben zu. 
 
 
Der Kellner erklärt mir dann mit starkem, südfranzösischem Akzent, wie ich zum Camping komme. Kurz vorher erreicht mich dann doch noch der Regen, den ich dann unter dem Vordach des Sanitärblocks auf dem Zeltplatz abwarte. Nach einer halben Stunde ist der dann überraschenderweise schon wieder vorbei und die Sonne guckt heraus: als Tiger gestartet und als Maus gelandet. Da hätte ich mich ja nicht so zu hetzen brauchen!
Anyway: jetzt kann ich in Ruhe das Zelt aufbauen und sogar einen preiswerten Mittagstisch im nahegelegenen Restaurant einnehmen. Danach tut dann ja immer ein Mittagsschlaf sehr gut. Und der Nachmittag ist „frei“....  

16. Tag,  94 km,
Grisolles – Toulouse – Avignonet
Donnerstag, 25. August
Der Start ist gut, das Wetter ebenfalls, es wird sogar am Nachmittag wieder recht heiß. Ich habe die Wahl, einen näheren Zeltplatz kurz hinter Toulouse (40km) zu nehmen oder einen ca 84km entfernten an der Departementsgrenze bei Avignonet. Das entscheide ich später. Der Radweg geht bis nach Toulouse hinein und hindurch. Natürlich kommt man in den Lärmpegel der Hauptstraßen und die Augen werden durch triste Industriegebiete beleidigt. Aber das lässt sich nicht vermeiden, wenn man eine Großstadt durchquert. Immerhin habe ich einen autoverkehrsfreien Radweg! Okay, kurz vor dem Bahnhof könnte er etwas intelligenter ausgeschildert sein, aber irgendwie findet sich das. In Toulouse – und das musste ich vor meiner Reise lernen – geht erst der eigentliche Canal du Midi los. Das vorher war der Garonneseitenkanal! Und nur der Canal du Midi ist 330 Jahre alt und Weltkulturerbe! 
Um 11 Uhr in Toulouse am Bahnhof trinke ich im gegenüberliegenden Hotel-Café einen großen Kaffee und dann geht’s weiter.  Die Strecke ist ab dem Bahnhof schön, mit gutem Untergrund und irgendwie idyllisch.
 

Ich bin gut ausgeruht durch die letzten Tage und so entscheide ich mich für die lange Strecke. Gegen Mittag, in Castanet, kommt endlich mal wieder ein Schleusenhäuschen, das zu einem entzückenden Restaurant umgenutzt ist -  gerade zur richtigen Zeit. Da es warm ist, bestelle ich nur einen Salat, aber der ist so hübsch gemacht, dass man Appetit auf die anderen Angebote bekommt. Aber Zurückhaltung ist angesagt. Ich will ja noch was schaffen und nicht ermattet vom Essen unter dem nächsten Baum liegen.
 
 
Ein bisschen muss ich mit der Patronne kämpfen, die es gar nicht gerne sieht, dass ich einen ganzen Tisch belege und dann nur so spartanisch esse! Sie zickt einfach ein bisschen herum. Dabei ist mein Salat und der anschließende Kaffee schnell verspeist. Und dann bin ich auch schon wieder weg und der Tisch ist wieder frei!
 
Heute habe ich ein schnelles Tempo drauf und nach ca 84 km bin ich im Zielgebiet. Ich habe die Wahl zwischen einem luxuriöseren Zeltplatz in Montferrand (klingt irgendwie nach Berg und darauf habe ich jetzt überhaupt keine Lust)) und einem kommunalen in Avignonet. Ich entscheide mich für den einfachen direkt am Kanal. Aber merkwürdigerweise finde ich ihn nicht! Ich fahre Umwege, danach dann die drei Kilometer in den Ort und lasse mir im Café den Weg erklären: 4km zurück. Dort finde ich eine große grüne Campinglandschaft vor, aber ohne jeden Service. Nach dem Aufbauen also zurück in den Ort zur Bar, um einen Snack zu bekommen. Inzwischen habe ich nämlich richtig Hunger. Die Hitze brüllt.
Leider, leider kann er mir keinen Snack anbieten und der Restaurantbetrieb geht heute auch ausnahmsweise erst um 20.30 Uhr los. Der Koch... Nein, ein Geschäft gibt es in Avignonet nicht, nur den Bäcker. Also fahre ich zum Bäcker und bestelle alles, was satt macht: Quiche, Croque Monsieur, Sandwich Jambon, 2 Orangina. Danach entspanne ich mich etwas und besichtige den Ort, der in seinem alten Teil oben auf einem Hügel liegt, drum herum richtige alte Befestigungen. Alles wunderschön und gut hergerichtet, aber irgendwie ohne Leben.  
  
Dann wieder herunter vom Hügel und zum dritten Mal ins Café, wo ich erkläre, dass ich jetzt gegessen hätte, den Ort besichtigt hätte und nun endlich trinken könne. 
Fan-Fan schmunzelt (wir nennen uns inzwischen beim Vornamen) und bringt mir Bier und schreibt mir noch ein Widmung in mein Fahrtenbuch. Gekühltes Bier zum Mitnehmen hat er auch. So ist der Abend dann doch noch gerettet.
 

Beim Platzwart, der sich mir vorhin als Obelix vorgestellt hat, bestelle ich Croissants für den kommenden Morgen. Er kann sich nicht vorstellen, dass ein Baguette dazu keinen Sinn macht, bis ich ihm erkläre, dass ich nichts habe, um es zu belegen.
Er macht mir den Vorschlag, mich morgen früh um 7 Uhr vor seinem Mobilhome einzufinden; dann würde er nämlich wie jeden Morgen ins Dorf fahren, um einen Kaffee zu trinken, ein Croissant zu essen und seiner Frau ein Baguette mitzubringen. Und da würde er mich mitnehmen, damit ich einkaufen kann. Ich stimme zu. A demain!  



17. Tag,  44 km,
Avignonet – Revel
Freitag, 26. August
Um 6.50 Uhr klingelt mein Handy und um 7 Uhr  - es ist noch dunkel - bin ich tatsächlich vor dem Mobilhome. Obelix raucht und wartet schon. Wir steigen in sein Auto und ab geht es in den Ort und zum vierten Mal bin ich im Restaurant-Café. Der Kaffee schmeckt gut, das Croissant auch, so dass ich das Gleiche noch einmal bestelle. Obelix ist hier gut bekannt. So kann er den Wirt (heute morgen ist es Dominique) überreden, uns ein bisschen Jambon  einzupacken. Dann schnappen wir uns jeder ein Baguette und fahren wieder zurück. Jetzt wäre eigentlich Frühstück dran und diese kleine Geschichte wäre zu Ende. Aber Obelix fragt mich (es ist 7.30 Uhr), ob ich es eilig hätte. Als ich verneine, fährt er mit mir noch auf die gegenüberliegende Hügelkette, damit ich einen Überblick über die Gegend bekomme und Fotos machen kann. Das Naherholungsgebiet am Stausee rauscht danach auch an mir vorbei, bis wir zu einem angehübschten Dorf kommen mit einem veritablen kleinen Wasserschloss.
 

Er steigt mit mir aus und führt sich fast auf wie der Schlossherr selber, als er mir die Geschichte und die architektonischen  Finessen erklärt. Auf einem Umweg fahren wir zurück, nachdem ich noch einiges über seine Familienverhältnisse und die der umliegenden Landbewohner erfahren habe.  Um 8.30 Uhr bin ich also an seinem Tisch. Er holt mir noch Butter aus seinem Kühlschrank und nun geht’s ans knusprige Baguette mit Butter und Schinken bzw Marmelade.
Hatte ich gestern noch das Gefühl, mit diesem Zeltplatz eine denkbar schlechte Wahl getroffen zu haben, verkehrt sich das heute ins Gegenteil. Solche netten kleinen Kontakte machen einfach Spaß und bleiben in der Erinnerung.
Und so mache ich mich dann auf den Weg. Heute will ich den Kanal an seiner höchsten Stelle, der Wasserscheide verlassen und dem Wasserzuflusskanälchen folgen( frz.: rigole). Die Ingenieure haben 1680, als sie den Kanal bauten, Wasser aus Flüssen in den Montagnes Noires abgezapft: sie haben sogar Flüsse umgeleitet, um den Kanal mit Wasser zu versorgen. Und der Rigole hat natürlich auch einen kleinen Betriebsweg nebenan, auf dem es sich fahren lässt ohne spürbare Steigung.
 

   2/3 dieses Weges liegt im Departement Aude und sind nicht hergerichtet. Er fährt sich so unbequem wie ein kleiner Waldweg. Ist man dann zurück über die Departementsgrenze in Haute-Garonne, ist er wieder wunderbar zu fahren.
Und wie es sich am kleinen Rigole verhält, so verhält es sich auch im großen Kanal du Midi: kaum hat man die Grenze zu Aude überfahren, wird es sandig auf dem Treidelpfad. Hier am Beginn lässt es sich noch gut fahren. Aber eine Aussage über die Qualität der ganzen Strecke von Avignonet bis Beziers kann ich hier nicht geben. 
Am Rigole geht es jetzt also sanft aufwärts Richtung Revel. Wieder drohen Wolken. Dies ist der erste Tag, wo ich mal ein langärmeliges Hemd anziehen muss, weil es etwas aufgefrischt ist. An den Kanten der Montagne Noir regnen sich die Wolken ab. Kurz vor Revel fängt es auch hier unten an zu regnen. Ich fahre also in Regencombi nach Revel herein. Das erste Café serviert gerade das Mittagsmenue. Soll ich nicht auch bestellen? Na klar, das volle Programm! Denn mein Radelpensum ist für heute getan.
Nach dem ausführlichen Mittagessen ist der Regen leider doch noch nicht vorbei. Ich fahre in Regenkleidung zum Campingplatz am Rande des Ortes und stelle mich dort erst einmal unter das Vordach der Rezeption. Es stellt sich die Frage, ob ich heute in ein Hotel gehe. Aber... nach einer Stunde hört es dann doch auf und ich kann aufbauen, mich ausruhen, ein Schläfchen machen. Später erkunde ich die noch regenfeuchte Stadt und suche ein preiswertes Restaurant für den Abend. 19.30 Uhr, pünktlich zur Bestellzeit für das Abendmenu, gibt die Sonne dann noch ein Gastspiel. Das Essen ist heute von der superfetten Sorte. Ich hätte es zurückgehen lassen sollen. Es belastet meine Verdauung die nächsten Tage...


18. Tag,  48 km,
Revel – Mazamet
Sonnabend,  27. August
Gestern, auf meinem Streifzug durch die Stadt, sah alles ein wenig verschlafen und durch die regennassen Flächen trist aus. Als ich heute morgen bei strahlendem Sonnenschein ins Zentrum fahren, steppt hier der Bär: es ist Markttag.
 

Die Halle und die angrenzenden Straßen sind gefüllt mit Ständen, ganz Revel und Umgebung treffen sich zum Einkaufen und zum Schwatz. Da sieht der Ort doch schon viel schöner aus. Nach meinem Frühstück am Markt geht es dann auf die Veloroute Richtung Castres. Sie ist hier eine Wegweisung über Nebenstraßen (Le Tarn en Velo). 
 
 
Die sind schön, aber anstrengend, weil ich viele Quertäler habe.
Kurz vor Castres nehme ich die Hauptstraße Richtung Mazamet. Die lässt sich gut fahren, obwohl mich in einem Kreisverkehr beinahe ein Jeep touchiert hätte.
In Mazamet finde ich den Zeltplatz am Ortsausgang. Hier muss ich erst einmal warten, bis die Rezeption geöffnet hat. Also mache ich ein Schläfchen am Rande eines Sportplatzes. Später fahre ich in die Stadt, die früher einmal das bedeutendste Zentrum für Wollgarnherstellung in Europa war. Diese Zeiten sind schon lange vorbei.  Einige Prachtbauten zeugen noch von dieser Epoche.
Aber: Hier fängt eine neue Radroute an, die auf einer alten Eisenbahnstrecke hinüber ins Tal des Orb im Departement Herault geht (Passa Pais). Darauf habe ich mich besonders gefreut: ein Tunnel unter dem Pass, mäßiger Anstieg bis dahin und ein durch Felseinschnitte und über Brücken führender angenehmer Radweg in ein superschönes Tal!  



19. Tag,  40km,
Mazamet – St.Pons
Sonntag, 28. August
Ich bin nicht mehr weit von meinem Ziel Beziers entfernt und kann mir Zeit lassen.
Die Strecke, die erst parallel zur Straße geht, wird immer schöner. Sie ist geöffnet auch für Reiter, was die gewalzte Sanddecke erklärt. Bis auf die Staubentwicklung lässt sich der Weg gut fahren. Es fragt sich nur, wie lange er hält bzw ob er regelmäßig gepflegt werden wird.

An einem alten Bahnhof hat ein Belgier eine kleine Haltestation mit Café aufgemacht (Buvette). Wir kommen ins Gespräch und er erzählt mir, dass die Anwohner nicht an das touristische Potenzial dieses Radweges glauben.
Es ist ihm auch nicht erlaubt, Schilder entlang des Radweges aufzustellen, die seine Buvette ankündigen. (Dazu passt, dass in meinem Edelprospekt, den ich in Mazamet im Office du Tourisme abgegriffen habe, denn auch in poetischen Worten fast nur auf die Schönheit der Landschaft hingewiesen; und der eingetragene Campingplatz in Courniou vom Radweg aus nicht zu finden ist!
Und im Dorf kennt ihn keiner. Später höre ich, dass er zu einem Bauernhof gehört)
Nach dem Tunnel (800m lang) unter dem Pas de Fenille ändert sich die Landschaft langsam. Ich brauche mich kaum noch zu mühen, denn das Terrain geht jetzt abwärts. 
 

Es kommt auch noch der eine oder andere weitere kleine Tunnel. Das Tal ist eng und die Berge sind bis obenhin begrünt mit Laubbäumen, meist Kastanien. Ich kenne das schon aus den Cevennen. Das ist wunderschön.
Der Zeltplatz, der sich hinter St. Pons befindet, lässt sich nur mit Mühen finden. Da auf dem Radweg keine Schilder aufgestellt sind bzw aufgestellt werden dürfen (siehe oben), ist es etwas schwierig, die entsprechenden touristischen Einrichtungen zu finden. Für die Autofahrer ist auf den Straßen selbstverständlich alles ausgeschildert. Und so über Straße finde ich ihn dann auch. Er liegt schön und gehört zur teureren Sorte, weil er eine sehr schöne Badelandschaft hat. Ich beschließe zwei Nächte zu bleiben und am Ausruhtag ein wenig am Pool zu relaxen. 

 

20. Tag, Ruhetag in St. Pons 
Montag, 29. August
Auf dem Weg zum Ort gibt es einen Supermarkt, wo ich gut einkaufen kann und so meine Campingküche bestücken kann. Das war nicht überall so gegeben, sodass ich die gastronomischen Angebote der Campingplätze oder der Restaurants unterwegs in Anspruch nehmen musste. An einem Ruhetag hat man auch mehr Zeit zum Kochen und kann das meist notwendige Kühlen der Lebensmittel besser organisieren. Hier erweist sich die Ortlieb-Faltschüssel als unentbehrlich!
Ich schaue mir den Ort an, trinke einen Kaffee an der Hauptstraße und verbringe den Rest des Tages lesend und badend am Pool. 
 

Und abends gibt es an der Bar des Campingplatzes kühlen Rosé.  


21. Tag,   17km,
St. Pons – Olargues
Dienstag,  30. August
Das enge Tal ist so schön, dass ich noch ein wenig bleiben möchte und nur den Standort wechseln will. 

 

In 17km Entfernung ist Olargues, ein Ort mit superengen Gässchen von mittelalterlichem Charme auf einem Hügel, auf dessen Spitze die Kirche liegt. Als ich dort nach einer knappen Stunde Abwärtsfahren ankomme, beherrschen schwere Motorräder das Terrain. Der Motorradclub Baracudo hat sich auf einer Ausfahrt hier zum Repas du Midi eingefunden. So ist dieser Ort erst einmal von in schwarzem Leder gekleideten Menschen dominiert. Irgendwie auch mittelalterlich...
 

Der Zeltplatz liegt am Fuße des Hügels auf der anderen Seite des Ortes. Es ist wieder so heiß, dass ich den Schatten unter einem Baum suche und vor mich hin döse. Erst später am Nachmittag durchstreife ich den Ort intensiver und finde mich dann um 18.30 auf der Terrasse des Restaurants ein und trinke ungeduldig einen Pastis, um die Wartezeit zu überbrücken, bis man ein  Essen bestellen kann... 
 



22. Tag,  58 km,
Olargues – Colombier
Mittwoch, 31. August
Wenn dieses Tal mit seinem Radweg der Höhepunkt der Reise ist, folgt heute sein krönender Abschluss: die Fahrt durch den Gorge de l´Orb in die Ebene. Aber erst einmal geht es noch ein paar Kilometer - über eine von Eiffel gebaute Brücke -  bis zum vorläufigen Ende des Radweges nach Mons La Trivalle. (2013 wird dieser Weg noch um 20km verlängert sein bis nach Bédarieux.)
In Mons hat sich das Tal ein wenig geweitet, der Weinanbau rückt in den Vordergrund. Am alten Bahnhof finde ich auch ein Café und einen Bäcker nebenan, so dass ein Frühstück gesichert ist. Hier kann man die zentrale Rolle des Cafés im französische Alltagsleben studieren:  Handwerker und Müllmänner schauen vorbei, trinken einen Kaffee und scherzen, dem Mann mit dem Baguette auf dem Fahrrad werden Worte hinterher geschmissen, eine Frau wird im Vorübergehen mit den traditionellen Bises, den Wangenküssen, begrüßt. Ich trinke meinen Kaffee und esse das beste Croissant auf der ganzen Reise: außen kross und innen kein bisschen trocken.
Und dann mache ich mich auf zur Abfahrt.
Da gibt es noch einmal wunderbare Ausblicke in die Schlucht und später in die Ebene, die Zacken der hohen Berge im Rücken. 
 

Die Abfahrt ist nicht ganz ungetrübt: ab und zu muss die Straße und ich damit auch einen Felsen hoch. Als ich dann in Cessenon-sur-Orb ankomme, gibt es den nächsten Kaffee. 
 

Danach suche ich eine versteckte Eisenbahnstrecke, die ich aber erst kurz vor Reals an der D36 finde.
Was von oben wie Ebene aussah, entpuppt sich jetzt als Vorhügelland, an dem ich dann doch noch die eine oder andere kurze Kletterstrecke habe. In Cazouls-les Beziers  fahre ich an einem einfachen Restaurant vorbei, auf dessen Vorderterrasse das Mittagessen serviert wird. Da ich habe es nicht mehr weit habe, kehre ich ein: es ist so typisch französisch und preiswert dazu. 
 

Gut gelaunt und gestärkt fahre ich die wenigen Kilometer zu meinem Ziel Colombier, wo ich wieder auf den Canal du Midi treffe. Auf dem Zeltplatz ist jetzt schon Nachsaison, denn die Rentrée naht: das heißt, dass alle französischen Schüler nächste Woche schon in der Schule sein müssen.
Eine interessierter pensionierter Lehrer aus Baden fragt mich aus und lädt mich für den Abend zum Wein vor seinem Campmobil ein, um sich von meiner Reise berichten zu lassen.
 

Am Nachmittag schaue ich mir den Ort an, dessen einzige Sehenswürdigkeit der kleine Kanalhafen ist. Ich kann noch für ein Abendbrot einkaufen, es verspeisen und dann kommt ein Gewitter. Das Zelt übersteht das bravourös. 


23. Tag,  20km, Colombier- Beziers
Donnerstag, 1. September
Heute kommt die Abschlussetappe meiner Reise. Da es nicht weit ist, lasse ich das Zelt stehen und fahre am Kanal in entgegengesetzter Richtung nach Malpas. 
 

Malpas ist eine Erhebung, die wie eine Sperre im Wege liegt. So lag sie auch den Kanalbauern um 1680 im Wege. Sie haben damals einen Tunnel gegraben und den Kanal dadurch geführt. 
Was heute ein Gähnen statt Erstaunen hervorruft, war damals eine Großtat und einzigartig in Europa, zumal dieser Berg schon durch einen Entwässerungskanal durchlöchert war, der den Etang de Montardy im Jahre 1250 trockengelegt hat. Und damit nicht genug haben die Eisenbahnbauer um 1854 zwischen Canal du Midi-Tunnel und Entwässerungtunnel noch einen weiteren gebaut für die Eisenbahnlinie Montpellier – Bordeaux. Also ein für damalige Verhältnisse technisches Wunderwerk. Im Ausstellungshaus von Malpas wird das alles sehr schön dargestellt .
Wieder zurück auf dem Zeltplatz baue ich dann das Zelt ab und fahre die restlichen Kilometer auf dem Treidelpfad nach Beziers hinein. Der ist hier in einem schlechten Zustand: Pfützen vom gestrigen Gewitterregen verdrecken mein Fahrrad und mein Gepäck, Löcher machen umsichtiges und langsames Fahren nötig.
Wenn der ganze Weg im Departement Aude so ist, kann man das Durchfahren am Kanal nicht empfehlen.
Bald bin ich an der berühmten Schleusentreppe von Foncérannes. Die Nähe zur Stadt macht sie zu einer vielbesuchten Attraktion für Touristen.
 

Dann geht es noch auf einer Kanalbrücke über den Fluss Orb und ich bin in der Stadt.
Vor zwei Tagen habe ich mir für die kommenden zwei Nächte ein Hotelzimmer reservieren lassen. Das muss ich nun finden, da es nicht direkt im Zentrum liegt.
Ein Mittagessen am Hauptplatz in Beziers stärkt mich und das Hotel ist bald gefunden, aber noch nicht geöffnet. Ich muss mich also noch ein bisschen herumtreiben, bevor die Rezeption mir den Schlüssel geben kann. Es ist ein Aparthotel. Das sind normale Zimmer, aber mit einer Kochnische, sodass man sich dort auch selbst versorgen könnte. Davon mache ich aber keinen Gebrauch.
Erst einmal kommt wie immer Kleine-Wäsche-Waschen und dann hole ich mein Fahrrad aus dem Fahrradkeller (!) und putze den Dreck des Treidelpfades herunter. Abends streune ich in der Gegend herum und finde dann ganz in der Nähe des Hotels ein wunderschönes Lokal (La Maison Blanche), wo man sehr schön sitzt und Tapas und weitere kleine Gerichte verspeisen kann. Offensichtlich eine In-Location, wie man an den teuren Autos davor erkennt. Und ganz billig ist sie auch nicht, aber herrlich.
Der Schlaf im Hotelzimmer ist nach diesem Abend auch sehr geruhsam.  



24. Tag, 35km, 
Beziers – Mittelmeer- Beziers
Freitag, 2. September
Was mache ich mit meinem letzten, einem „freien“ Tag? Natürlich ans Mittelmeer! Es gibt ab Beziers einen ausgebauten Radweg am Kanal, der bis zum Mittelmeer nach Portiragnes-Plages führt.
 

Der fährt sich herrlich und entspannt.
Am Küstenort mit seiner wirklich unromantischen touristischen Infrastruktur angekommen fahre ich gleich zum Strand. Hier ist alles übersichtlich, so dass ich es wage zu baden. Meine Wertsachen wie Geld, Handy und Kreditkarte kommen in einen kleinen wasserdichten Plastiksafe, den ich um den Hals tragen kann, das Fahrrad und meine übrigen Sachen bleiben auch für einen Kurzsichtigen wie mich in Sichtweite. 
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Dieses Bad ist dann der krönende Abschluss meiner 1200km langen Reise vom Atlantik zum Mittelmeer! 

Danach gibt es zur Belohnung einen riesigen Eisbecher. Auf dem Weg zurück schaue ich mir Villeneuve-lès-Béziers an: sicher der schönere Ort zum Ubernachten als Beziers, aber zu weit  entfernt vom Bahnhof. Der Weg nach Beziers zurück ist wieder schön und beschaulich. 
 

Abends gehe ich dann wieder ins gleiche Restaurant und verwöhne mich. 



25. Tag,  Abreise
Sonnabend, der 3. September
Heute ist Abreisetag.
 

Ich habe ein Ticket für 9.15 Uhr mit dem TGV nach Lyon inclusive Fahrradreservierung. Überraschenderweise wird das Frühstück heute später serviert als gestern; aber das macht mich nicht nervös, weil ich schon geprüft habe, dass die Fahrt zum Bahnhof abwärts geht und höchstens 10 Minuten dauert. 
NACHTRAG:
Achtung: 2019 gab es keine Fahrradmitnahme auf dieser Strecke, der Rhoneschiene. 2020 könnte es auch problematisch werden.....
Das Einsteigen in den Zug ist einigermaßen unproblematisch, obwohl es sehr eng ist und die Mitreisenden auf einen Fahrradfahrer keine Rücksicht nehmen. (Man sollte entweder als Erster oder als Letzter in den Zug einsteigen. Zwischendrin ist man nur ein Hindernis, an dem nicht vorbeizukommen ist. Steigt man als Letzter ein, kann es sein, dass die anderen Fahrgäste mit ihren Koffern den Weg zum Fahrradhaken verstellt haben und man ein bisschen umräumen muss.)
In Lyon kommt der Zug zu spät an, sodass ein Imbiss nicht drin liegt. Es ist Samstag und es herrscht das übliche Gedrängel. Der TER nach Genf hat kein Fahrradabteil, sodass ich irgendeinen Eingang in der vorderen Hälfte nehme. Aber April, April: nur das vordere Drittel des Zuges fährt nach Genf; ich befinde mich zwar noch vor der Mitte und bin trotzdem verkehrt. In Bellegarde muss ich noch einmal nach vorne umsteigen. Die Mitreisenden sehen das gar nicht gern und wollen auch nicht Platz machen an den geeigneten Klappsitzen zum Anlehnen des Fahrrades.
Im Genfer Bahnhof gibt es eine neue Halle für den Fahrkartenverkauf, wo ich eine Nummer ziehe. Erschreckt stelle ich fest, dass ich Nummer 1164 habe und im Moment die Nummer 1054 bedient wird. Das kann doch wohl nicht wahr sein!! Beunruhigt warte ich ein bisschen, bis dann die Logik einsetzt und mir sagt, dass es hier irgendwo noch Automaten geben muss. Und die sind tatsächlich draußen vor dem Bahnhof. Als mich der Automat dann fragt, welche von zwei Verbindungsmöglichkeiten ich wählen möchte, muss ich mich blind entscheiden. Woher weiß ich denn, welche Strecke der ausgewählte Zug fährt? Eine Fahrradkarte kann ich dann auch noch lösen und so erreiche ich meinen Zug doch noch mit gültiger Fahrkarte. Ich mache einen Abstecher nach Luzern, um Verwandte zu besuchen. Der interessierte Leser - wenn er seine Fahrkarte nicht schon zu Hause erstanden hätte - würde sich jetzt eine Verbindung nach Basel gekauft haben für den Zug um 17.15 mit dem ICN, wo aber eine Reservierungspflicht für Fahrräder besteht. Ob es die Reservierung auch am Automaten gibt, wäre noch zu klären.
Zu preisen wäre hier noch der Bahnhofsvorplatz in Basel: ein Platz ohne Autoverkehr, dafür viele Menschen, Fahrräder und nostalgisch klingelnde und ratternde Straßenbahnen und am Rande die Terrasse des Hotel-Restaurants „Le Train Bleu“, wo man sich so wunderbar die Wartezeit auf den Nachtzug vertreiben kann, der kurz nach 22 Uhr fährt. Ich hatte auf einen lauschigen Abend gehofft, der dann auch eintrat, als ich ein paar Tage später hier ankam. 
 

Und hier schlägt der kleine Schlemmer noch einmal genussvoll zu, wohl wissend, dass die Preise in der Schweiz sehr viel höher sind als in Frankreich. 

über diesen Link komt man zu dem Ordner mit den GPS-Dateien:
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